„Programm“
Denken gehört auch zum Glauben
Glaube will gelebt und gefeiert werden. Er lebt im persönlichen Gebet, in der gottesdienstlichen und alltäglichen Gemeinschaft in der Gemeinde und darüber hinaus, im Dienst an Menschen und auch an Strukturen.
Zum christlichen Glauben gehört auch das Nachdenken und Bedenken des Glaubens. Was kritisch und selbstkritisch bedacht ist, kann klarer kommuniziert werden (vgl. 1 Petr 3,15).
Das Christentum hat eine reiche Tradition des Nachdenkens über den Glauben und seine Inhalte. Orte des Denkens waren nie nur Universitäten und andere Ausbildungsstätten, sondern auch Klöster, geistliche Gemeinschaften und auch Gemeinden.
Denken hilft zu unterscheiden. Unterscheiden (griechisch „krinein“ → „Kritik“) heißt nicht, Dinge zu trennen oder gar zu zerstören, sondern sie richtig aufeinander zu beziehen. So kann Denken helfen, sich nicht Vermutungen, Emotionen und Stimmungen allein auszuliefern, sondern sich zu orientieren. Denken hilft zur Orientierung bei den grundlegenden Fragen: Wer ist Gott (für mich)? Wie sieht in dieser Situation der Weg der Liebe aus? Was baut meinen Glauben, meine Beziehungen, meine Gemeinde, meine Gesellschaft wirklich auf?
Theologie und Gemeinde
Neben der akademischen Theologien an den Universitäten gibt es auch „Gemeinde-Theologien“ (die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sein können). Sie speisen sich aus dem, was in Gemeinden durch Pfarrer/innen verkündigt und gelehrt (und auch gelebt) worden ist – und auch aus Einflüssen aus dem Gemeindeumfeld (Gemeinschaften, Freikirchen, Kontakte mit Predigenden, Bücher).
Gemeinde-Theologie und Universitäts-Theologie stehen in einem spannungsreichen Verhältnis. Es gibt Misstrauen, Verdächtigungen und Abwertungen von beiden Seiten. Gemeinden fürchten, dass Pfarrer an den Universitäten zu „liberal“ werden oder den „Glauben verlieren“. Pfarrer achten manchmal zu wenig, was an Wissen und Unterscheidungsfähigkeit vor Ort vorhanden ist.
Auch wenn selbstverständlich in Predigten und Bildungsveranstaltungen sich (auch) Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit zeigen, gibt es trotzdem relativ wenig inhaltliche Kommunikation zwischen Uni- und Gemeindetheologie. Viele Themen, die im akademischen Raum erarbeitet und diskutiert werden, spielen im Gemeindealltag kaum eine Rolle. Das hat viele Gründe, auch den einer kaum vermeidbaren Sprachbarriere der Fachsprache.
Ich möchte hier versuchen, ohne höchste akademische Ansprüche in einer möglichst allgemein verständlichen Sprache für Interessierte schlaglichtartig aus meiner Sicht gewinnbringende theologische Themen für Interessierte aus Gemeinde und Internet-Öffentlichkeit anzubieten. Das soll keine Einbahnstraße sein – deshalb hat die Seite eine Kommentarfunktion.
Verhältnisbestimmungen von Glauben und Denken
Beim Stichwort „Denken“ fallen manchen zuerst die sogenannten „Gottesbeweise“ ein. Denken auf der Ebene von Angriff und Verteidigung halte für fruchtlos. Gottes Existenz lässt sich nicht rational beweisen und ebensowenig widerlegen. Schon bei Thomas von Aquin hatten die „Gottesbeweise“ nicht die Funktion von strengen rationalen Beweisen, sondern von Klärungen im Gespräch mit Andersgläubigen (z.B. Muslimen in seiner „Summa contra gentiles“): Wovon reden wir, wenn wir von Gott reden? Zum Beispiel von dem Einen, der die Ursache und das Ziel allen Seins ist.
Muss man nicht erst glauben, bevor man etwas von Gott verstehen kann? Diese Ansicht hat eine lange Tradition in der Christenheit. „Ich glaube, damit ich verstehen kann“ hat Anselm von Canterbury im Anschluss an Augustin formuliert. Denken geht immer von (manchmal nicht bewusst wahrgenommenen) Voraussetzungen aus. Denken ist immer Nach-Denken. „Vernunft“ kommt von „vernehmen“. In diesem Sinn geschieht theologisches Denken nicht „aus dem hohlen Bauch“ heraus, sondern im Hören auf die Heilige Schrift.
Umgekehrt sagen manche: „Ich denke nach, um glauben zu können“. Mit dem natürlichen Denken kann man Gottes Fülle nicht erreichen. Aber man kann mit dem Denken Glaubens-Hindernissse aus dem Weg räumen und damit Gottesbegegnung leichter machen. Glaube ist nicht immer „vernünftig“ (ebensowenig wie die Liebe), aber vieles lässt sich denkerisch nach-vollziehbar machen.
(Post-)Moderne Herausforderungen
In unserer Kultur haben sich neben den „alten“ religiösen Zugängen zur Wirklichkeit neue herausgebildet, philosophische und naturwissenschaftliche. Der Geburtsvorgang (die „Aufklärung“ und die Herausbildung z.B. von Evolutionstheorie und Urknalltheorie) war schmerzhaft und mit heftigen Abwehr- und Befreiungskämpfen verbunden. Heute hat sich unsere Gesellschaft in eine Vielzahl von soziologischen Mileus ausdifferenziert und eine Vielzahl von modernen, vormodernen und postmodernen Weltbildern und Lebensanschauungen herausgebildet.
Es ist aus meiner Sicht eine Stärke universitärer Theologie, dass sie sich im stetigen Kontakt und kritischen Dialog mit der jeweils aktuellen Wissenschaft geformt hat. Glaube und Wissenschaft betrachten dieselbe Wirklichkeit, nur jeweils aus einer anderen Perspektive, mit anderen Schwerpunkten und Interessen und anderen Methoden. Beide tragen dazu bei, dass Menschen sich in der Welt orientieren und ihr Leben gestalten können.
In diesem Prozess gab und gibt es auf universitätstheologischer Seite auch vorschnelle und unausgereifte Aneignungen z.B. geschichtswissenschaftlicher Ansätze und Methoden, die in Gemeinden zurecht Verwirrungen und Widerstände ausgelöst haben. Teilweise hat das allerdings zum Rückzug auf voraufklärerische Positionen (z.B. Kreationismus, Biblizismus) geführt.
Wenn Kirche sich nicht in eine Burg zurückziehen, sondern Gesellschaft mitgestalten und Menschen gewinnen will, muss sie eine Sprache sprechen, die Menschen heute verstehen. Ich halte das für ein theologisches Hauptproblem der Kirche, dass wir kaum noch eine verständliche Sprache für Glaubensinhalte wie „Gott“, „Seele“, „Gnade“, „Glaube“, „Ewigkeit“, „Hoffnung“ usw. haben. Die noch bis etwa ins 18. Jahrhundert selbstverständliche Verständlichkeit der biblischen Botschaft ist verloren gegangen. Ich persönlich möchte nicht in einem „kanaanäischen Paralleluniversum“ leben, sondern für mich selbst und für mein Umfeld nach Worten suchen, die den Glauben an den Gott, der sich in Jesus Christus zum Heil der ganzen Welt offenbart hat so weit wie möglich verstehbar und eine Lebensgestaltung aus diesem Glauben heraus einleuchtend machen.
Neben dem Leben mit den biblischen Zeugnissen halte ich kritische und selbstkritische Anstöße aus universitären Diskussionen dafür für hilfreich und wertvoll.
Wozu noch ein Blog?
Die meisten der Dinge, zu denen ich schreibe, kann man auch woanders „googeln“. Zurecht wollen Gemeindeglieder aber manchmal genauer wissen, was eben genau „ihr“ Pfarrer denkt. Hier ist Raum, ausführlicher als das in sonntäglichen Themen möglich ist, einzelne Themen zu erörtern.
Ich möchte zu denken geben, was mir selbst zu denken gegeben hat – und bin gespannt auf Rückmeldungen.